Die Saison 2009 ist vorüber, die kommende wird in diesen Wochen und Monaten praktisch und gedanklich vorbereitet. In Hammelburg werden am 7. November so wichtige Fragen wie Kennzeichen-, Führerschein- und Versicherungsregelungen, die unüberschaubare Fülle von Veranstaltungen, die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen usw. usw. diskutiert werden. Wie oft eigentlich noch? Wäre es nicht an der Zeit, einmal die Frage zu erörtern, wohin die Reise eigentlich gehen soll?
Am Rande einer der schönsten Veranstaltungen des Jahres 2009 (die Rede ist von Werxhausen) trafen sich beim Feierabend-Bier (natürlich außerhalb der Fest-Scheune) ganz zufällig und unverabredet einige Veteranen der Veteranen-Szene (Namen können erfragt werden). Dabei ging es schnell um die Tatsache, daß man selber immer älter, die Exponate aber immer jünger würden und daß dies doch wohl nicht das wäre, was was ursprünglich einmal (von allen!) beabsichtigt war. Wichtiger Aufhänger dieses melancholischen Austauschs waren zwei Seiten von Klaus Rabe in der SPo 2/09 („Jurassic Park“), auf denen er von einer nahezu unbemerkt gebliebenen Veranstaltung in den Niederlanden berichtete, bei der wirklich alte Maschinen, fast alle vor 1930, im Mittelpunkt standen. In keinem Termin-Kalender, gleich ob Hammelburg oder nicht, war auf dieses Veteranen-Treffen im Wortsinn hingewiesen worden – nur informell bzw. zufällig erhielt man davon Kenntnis (oder eben auch nicht): Insider-Wissen pur. Die „Hildesheimer Bulldog-Mafia“, also der feste Freundeskreis um den leider nicht mehr unter uns weilenden, legendäre Fritz Dumke, hat zum Gedenken an ihn ja schon einen ähnlichen Weg beschritten mit dem großen Schaupflügen, bei dem auch der Paderborner „Felddank“ zu erleben war.
Die Mehrheit der Beteiligten an jenem Abend in Werxhausen war der Ansicht, daß so etwas wohl nur noch so ginge, wenn überhaupt. Die Besitzer wirklich seltener Stücke würden die „allgemeinen“ Veranstaltungen meiden, viele von ihnen wären mittlerweile doch selbst recht alt geworden, ihre Kräfte nicht mehr die von vor dreißig Jahren, außerdem hätten sie schlechte, frustrierende Erfahrungen gemacht („wozu soll man sich die Mühe machen, einen Knicklenker oder Zwölfer von ,1921 plus‘ umständlich durch die Gegend zu transportieren, wenn doch auf jedem zweiten Treffen einer mit Baujahr ,2000 plus‘ steht“), sie wollten nicht mehr ins Licht der Öffentlichkeit gerückt werden aus allerlei Gründen usw.
Alles richtig. Das Alter merkt jeder am eigenen Leib. Aber wird einer dadurch jünger, daß er, sehr wohl im Besitz echter Zwölfer Bulldogs u. a. ungefälschter Antiquitäten, zu einer Veranstaltung dann mit einem 8 PS-Peda anreist und seine wirklichen Schätze zu Hause läßt?
Ich bin explizit gegen solche Geheimbündelei, bei der nur noch von Mund zu Mund oder von e-mail zu e-mail eingeladen und handverlesen wird, wer Teilnehmer sein darf! Ich habe dabei erhebliche, nicht zuletzt politische Bauchschmerzen: schließlich dreht es sich bei unseren Exponaten um Alltagskultur, um die Kultur der Arbeitswelt vergangener Jahrzehnte oder mittlerweile Jahrhunderte, nicht um Raubstücke aus ägyptischen Königsgräbern, die man nur Eingeweihte sehen lassen darf! Wenn der (garantiert auch in Hammelburg wieder zu vernehmende Anspruch) noch gilt, Zeugnisse eben dieser Arbeitswelt zu bewahren und zu zeigen, dann müssen diese Zeugnisse öffentlich „zur Sprache gebracht“ werden!
Die andere Geschichte: für den Nachwuchs sind eben nicht GK-Bulldog oder Wasser-Deutz, sondern John Deere der 20er-Serie, Fendt Farmer 106 oder 06er-Deutz – die Auswahl ist willkürlich, aber realistisch – die Maschinen der eigenen Erinnerung, und um die dreißig Jahre alt sind die schließlich auch allemal. Oldtimer also? Ganz abgesehen davon, daß das wirklich alte Eisen preislich für Jüngere (aber auch für Ältere) nicht mehr erreichbar sei. Niemand bedauert das mehr als ich, aber Gier ist nicht nur ein Kennzeichen der Banken-Branche.
Binsenweisheiten, ich weiß. Doch auch solche sind letztlich – Weisheiten. Aber es darf doch wohl, beim Nachwuchs wie bei Älteren gleichermaßen, gefragt werden was denn eigentlich unter historischer Technik oder Technik-Geschichte verstanden wird! Ich gebe mal ein Beispiel für das, was ich meine:
Wenn ein Landwirt im Jahr 1980 geglaubt hätte, er könne seinen Hof mit Lanz-Seitenglühkopf und 35er GK, mit Hanomag R 25 und R 40 oder mit Deutz F1L514 und F2M417, alle Baujahr 1950, mithin also dreißig Jahre alt, erfolgreich bewirtschaften und brauchte in neue Technik nicht zu investieren, dann wäre er besser morgens erst gar nicht aus dem Bett aufgestanden – sein Betrieb wäre verloren gewesen. Wenn im Jahr 2010 ein Landwirt seinen 125er DeuFenSchlü, Baujahr 1980, ebenfalls dreißig Jahre alt, vorausgesetzt, er hat ihn stets vorschriftsmäßig gewartet und gut behandelt, noch einsetzen will, weil er im Augenblick dank unverantwortlich niedriger Erzeugerpreise für seine Produkte das Geld für einen neuen 180er DeuFenCla nicht aufbringen kann, dann kann er das sehr wohl! Zwar unter Verzicht auf Joystick, Stereo-Anlage, GPS und sonstigen Schnickschnack, aber er muß nicht aufgeben, nur weil er keinen ganz neuen Schlepper hat!
In Ausgabe 1/2000 der SPo schrieb Klaus Rabe in einem Editorial: „Wir bleiben der alten Technik, den Klassikern treu und verbunden“. Besser und kürzer kann man nicht ausdrücken, worum es geht. Zwischen 1950 und 1980 vollzog sich ein technischer Quantensprung, der seinesgleichen danach nicht mehr hatte. Und ganz ausdrücklich: ich verkenne nicht den Wert hydrostatischer Antriebe, von Komfort-Kabinen und Verbrauchsreduzierung. Aber haben diese Errungenschaften etwas mit historischer Technik zu tun?
Schließlich: Jugendarbeit muß sein, sie muß intensiviert werden. Noch immer steht mir als großartiges Beispiel dafür, was in dieser Beziehung getan werden kann, die Arbeit der Familie Wegmann vom Lanz Bulldog-Club Bodensee vor Augen. Aber: wenn es für die Veteranen der Veteranen-Szene im Lauf der Jahre aus Altersgründen schwierig geworden ist, ihre Maschinen zu präsentieren – sollten wir uns nicht einmal fragen, ob man nicht auch an „Altenarbeit“ denken kann? Auf einem weiteren der Veranstaltungs-Höhepunkte der vergangenen Saison, in Nordhorn, konnte der mittlerweile 78 Jahre alte Primus-Experte Gerhard Farwick einen Teil seiner eindrucksvollen Sammlung nur dadurch in der Sonderschau zeigen, weil ihm tatkräftige Clubfreunde bei den Transportarbeiten behilflich waren. Ist das nicht ebenfalls ein Beispiel, das Schule machen sollte?
Ich stelle diesen Beitrag in das Internet-Forum des LBC-West, weil ich momentan nicht die Fantasie aufbringen kann, daß sich dafür in den Zeitschriften der Szene zwei Seiten dafür finden würden. Leider muß ich zu diesem Schluß kommen. Und ich werde auch nicht in Hammelburg sein, denn ich habe keine Fragen zum Führerschein oder zum Versicherungswesen, und einen Termin habe ich auch nicht anzumelden. Ich gebe gern zu, daß meine Initiative etwas kurzfristig kommt. Aber ich denke, besser als gar nicht. Der Versuch scheint es mit wert zu sein.
Michael Bach